Der Schwarm – oder: die Entdeckung der Gefühle
Hat bislang in den letzten 499 Büchern immer Spannung durch haarscharfe Action und intensiver Kämpfe bestanden, wird hier nun eine 180° Drehung gemacht und Spannung wird nun durch Gefühle beim Leser erzeugt.
Trostlostigkeit aber nicht ohne Belohnung (die POLO kommt zurück), Weltuntergangsstimmung aber nicht ohne Hoffnung (Identifizerung des SCHWARM und der Rochenschiffe), Verzweiflung aber nicht ohne Tatendrang (Perry hat Pläne)…
Gab es vorher nur die Identifikation durch die Leitfiguren, Loyalität und Ehrgefühl, angesalzen mit zwischenzeitlichem Humor, kommt nun die komplette Retourkutsche und die eigene Gefühle werden zu dem Thema “Verdummung” und “Homo Superior” angesprochen. Das wofür und weswegen man eigentlich die ersten 499 Hefte gelesen hat, wird plötzlich beim “Untergang” auf den Kopf gestellt und man weiß nicht wohin.
Denn Perry Rhodan steht vor einem Scherbenhaufen. Er war es, der die Menschheit geeint und zu den Sternen geführt hatte. Das ist jetzt knapp 1.500 Jahre her und er muss erkennen, dass alles, wofür er gekämpft hat, in einem galaxisweiten Schicksalsschlag dem Verfall anheim gefallen ist. Alle Völker in der Milchstraße betrifft es, und so macht er sich mit den wenigen Immunen auf den Weg, das Phänomen zu erkunden und – natürlich! – das Problem zu beheben.
Am Dienstag, 20. April 1971, erschien Heft 500 und ich MUSSTE es deswegen auch gestern – also Dienstag – zu Ende lesen. Fast exakt 47 Jahre liegen dazwischen und aktueller kann es derzeit nicht sein:
Während im Hier und Jetzt der Verfall der Sitten (bspw Gewalt gegen Rettungskräfte, Thema “Gaffer”) und Infragestellung der Regierung (Pegida/AfD, Reichsbürger) quasi eine große Depression durch das Land geht, inklusiv der Verdummung durch Fake-News und Wissenschaftsverweigerern (Trump, Flat-Earth-Society…), ja selbst der Homo Superior wird mit einer relativ aktuellen Studie aufgegriffen, in welcher gnadenlose Selbstüberschatzung und größte Dummheit Hand in Hand gehen. Diese systematisch fehlerhafte Neigung inkompetenter Menschen wird Dunning-Kruger-Effekt genannt.
Aber um zu Perry Rhodan zurückzukehren: Ich bin jetzt in der Phase der Serie angelangt, die ich für sehr interessant halte. Ein bisschen zerbricht das Herz, die bislang utopische Welt des Perryversums zerbrechen zu sehen. Und genau das motiviert hier, weiter zu lesen. Klar, ich weiß, dass der Zustand 47 Real-Jahre später längst überstanden ist, aber diese Tiefstunde zu lesen, in der fast alles hoffnungslos erscheint und dumme Menschen kindliche/zombiehafte Züge entwickeln, birgt seine eigene Spannung. Und hebt die Serie Perry Rhodan auf ein neues Level der Dramatik.